Nach 5 Wochen

Wir sind ja nun 5 Wochen unterwegs und haben viel gesehen, viel erlebt und schon etliche Länder bereist. Doch einige Dinge fehlen mir allmählich:

1. Ich finde es einfach spitze, daß ich in Deutschland das Wasser aus der Leitung trinken kann – immer und überall. Und jeder Schluck schmeckt soviel besser wie jedes Wasser in den Plastikflaschen, das man zu kaufen bekommt.

2. Mir fehlt die Verständigung über die Sprache. Wir kommen mit englisch, ein Paar Brocken französich und noch weniger spanisch gut voran, aber eine echte Unterhaltung kommt nirgends zustande. Oft würde mich so Vieles interessieren, aber wir können es nicht in Erfahrung bringen.

3. Regen und die Farbe grün: Seit 2-3 Wochen wird die Landschaft sukzessive karger. Mal wieder sattes Grün sehen und Regen spüren – das wär schon was. Ja – ich weiß – zu Hause hat es meist viel zu viel Regen. Aber jetzt wäre mir die Abwechslung mal wieder ganz recht.

4. Monotonie: Nahezu jeden Tag sind wir nun woanders gewesen. Immer unterwegs – immer auf neue Gegebenheiten müssen wir uns einstellen. Allmählich wäre etwas Stabilität nicht schlecht. Vielleicht ist Monotonie dahingehend etwas übertrieben formuliert. Einfach etwas weniger Abwechslung und tägliche Herausforderung bzw. ständige Unsicherheit – das wäre schon mal ganz angenehm.

Tourismus nein danke – Tourismus ja bitte!

Um 2.20 fängt mein erster Tag in Marokko an. Die Wecktrommler des Ramadan ziehen durch die Straßen und wecken Mensch, Hund und Katz auf, damit sie essen und beten. Kurz danach Stimmengewirr auf den Straßen, Autos fahren wild hin und her. Kurz darauf Stille, eine ganze Weile später singt der Muẹzzin. Dann kräht der erste Hahn, es wird langsam hell. Unglaubliche Ruhe tritt ein, kein Auto fährt, kein Mensch redet, nichts mehr regt sich. Irgendwann finde ich durch diese Stille doch wieder in den Schlaf und wache gegen 8.00 Uhr Ortszeit  auf. Es ist genauso still wie früh morgens. Die Menschen schlafen offensichtlich immer noch.

Ich dachte wirklich nicht, dass hier in diesem touristischen Ort der Ramadan so strickt eingehalten wird. Überhaupt dominiert das islamische Leben das Bild. Frauen, seltenst mit offenen Haaren, wenn überhaupt zu sehen, mit bunten Gewändern. Es ist eine Männerwelt, zumindest auf der Straße und sogar am Strand gehen die Männer mit den Kindern baden, keine Frau zu sehen.

Später sitze ich beim Friseur auf einem kleinen Stuhl, auch der Laden ist klein, während Toni sich rasieren lässt und ich habe Zeit, die Straße durch die offene Türe zu inspizieren.

Drüben auf der anderen Seite sitzen drei Berberfrauen mit bunten Hüten und verkaufen Kaktusfrüchte. Ein Pferdekarren fährt vorüber, eine Oma, gebeugt vom Alter mit herrlich türkisnem Outfit, mit Silberbordüren eingefasst, schleicht vorbei. Ein zerlumpter Bettler macht die Runde, mit zuckenden Armen und zerlumpten Kleidern. Jemand gibt ihm etwas. In dem Moment biegt ein nobles deutsches Fahrzeug mit holländischem Kennzeichen um die Ecke. Ein Lastwagen hinter dem Geschäft lässt den Motor laufen, lädt Speiseeis aus, es riecht nach Diesel. Es ist eine Welt der Ungleichzeitigkeiten, alles auf einmal und doch in verschiedenen Zeitaltern, so kommt es mir vor.

Allerdings finde ich es hier viel ärmer und die Leute sind vielleicht deswegen sehr aufdringlich, weil sie es wirklich nötig zu haben scheinen. Sie sind aggressiver und ein „Nein“ wird schwer akzeptiert. Mittlerweilen haben wir unser Pokerface gefunden und es geht nun etwas besser mit dem Abwimmeln der Händler.

Es ist mir nicht alles fremd, ich kenne vieles aus der Türkei, die wir oft bereisen. Aber so richtig wohl fühle ich mich (noch) nicht, im Gegensatz zu Toni habe ich das Gefühl, mich als Frau oder als Touristin nicht frei bewegen zu können.

Plötzlich finde ich Tourismus ganz toll und bin froh um jeden Franzosen oder Spanier, den man zu Gesicht bekommt. So kann sich das Blatt wenden!

P.S. Wir sind heute nicht gefahren, haben einen Ruhetag eingelegt, um uns ein wenig schlauer zu machen und zur Ruhe zu kommen.

Larache

Sind nach Larache gefahren weil wir glaubten hier etwas mehr Komfort anzutreffen als in Asilah. Sprich essen und trinken untertags. Leider Fehlanzeige. Wir sind die einzigen Auslaender hier und tun uns nun unheimlich schwer. Wir sitzen in einem Internetcafe und haben kein WiFi und nur eine arabische Tastatur. Morgen geht es so schnell wie moeglich nach Rabat; der Reisefuehrer verspricht dort mehr Infrastruktur. Deswegen jetzt auch keine Bilder. Es gibt auch nicht viel Fotogenes hier; es ist leider alles sehr schmutzig und die Menschen unfreundlich.

Tagesetappe: 29.07.2012

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
29.07.2012 432 400 45,30

Sich wohlfühlen

Sich wohlfühlen

Nein – wir fühlen uns hier in Marokko noch überhaupt nicht wohl. Der Gipfel war Larache – es ist elend dort: es stinkt, es ist dreckig, die Stadt ist heruntergekommen, die Menschen sind lustlos bis unfreundlich.
Es ist nicht Ramadan-totenstill hier. Es wird Ware feilgeboten, es wird gekauft, es wird gehandelt. Aber es ist wohl ruhiger, als zu nicht Ramadan-Zeiten.
Aber das ist es nicht. Wir sitzen in einem Cafe – ohne Kaffee. Wir schauen hinaus auf das Meer. Die jugendlichen Männer sitzen herum, schlagen die Zeit tot. Wo sind die Frauen?
Es ist ihnen langweilig – elend langweilig. Wir spüren dies und uns geht es ähnlich. Wir schlagen die Zeit tot. Es gibt nichts zu sehen, nichts zu erleben. Es ist einfach nur fürchterlich langweilig.
Und es ist erschreckend arm hier. Nahezu alle Häuserfassaden zerfallen, es ist unaufgeräumt, überall liegen Dinge rum. Es stinkt.
Und was das allerschlimmste ist: die werfen ihren Müll einfach über die Brüstung auf die Küste vor dem Meer. Da fehlen mir die Worte.



Warum fühlen wir uns nicht wohl? Wir reden ständig drüber und sind uns einig, daß die Menschen trotz Ramadan auch netter sein könnten. So waren wir eben im Internetcafe. Eine verschleierte junge Dame hat uns den Platz zugewiesen und später abkassiert. Die hat keine Miene verzogen. Nein es war fast so, als würde Sie auf unser Geld spucken wollen – so abweisend.
Wir respektieren den Ramadan – keine Frage. Wir essen und trinken nicht in der Öffentlichkeit. Nein – wir tun es im Hotelzimmer, daß sich keiner gestört fühlt. Wir geben uns nicht intolerant, werden aber so behandelt.
Während Asilah gestern noch Touristen hatte, ist es hier touristenlos – vollkommen.
Wir merken nichts vom orientalischen Leben.

Mittendrin und voll dabei

Mein neuer Reiseführer von Dumont 2012 schreibt über Larache folgendes: „Larache liegt in einer schönen Landschaft inmitten von Obstplantagen…Die Stadt hat eine sehenswerte Medina.“

Desweiteren hat er u. a. Hotelempfehlungen enthalten. Das beste Hotel am Platze, angeblich familientauglich, schaut aus, als ob eine Bombe darin eingeschlagen hätte. Es hat komplett geschlossen, das Eisentor ist zu. Es wird angeblich bis „Juni 2011“ renoviert sein, sagt eine verwitterte Tafel.

Von der Obstplantage habe ich beim Einfahren nichts gesehen, hier ist alles kahl drumherum. Der Reiseführer enhält ein Bild von Larache, sehr malerisch, die Promenade mit den Ruinen im Hintergrund und eine bedachte Arkade. Die Arkade steht noch, die Ruinen auch, aber die Beschattung ist weggerissen, Fetzen hängen noch da. Der Abgrund ist voller Müll, bis zum Badestrand, nur männliche Marokkaner baden dort. Die Medina ist mehr als schmutzig, sie ist eklig und stinkt. Mir ist permanent übel, zu essen gibt es ja eh nichts, zu trinken auch nicht. Mir vergeht das Sightseeing, zur Ruinenstadt will ich erst recht nicht mehr.

Am Fischerhafen streiten sich die aggressiven Männer, ein Gerangel, der riesige Fisch, um den offensichtlich gestritten wird, fällt platschend  auf den dreckigen Boden, die Polizei geht dazwischen, ein Tumult sondersgleichen.

Das verstehe ich alles nicht. Entweder der Reiseführer übertreibt maßlos oder die haben den Tourismus hier abgeschafft.

Omei, so habe ich es mir wirklich nicht erdacht. Zumal die Leute an der Küste vom Tourismus zwar leben wollen, aber den Touristen knallhart am Ramadan nichts zu essen oder zu trinken geben. Sie nehmen uns nicht mal wahr, was zu verstehen ist.

Manche sind bettelarm, Kleider in Fetzen, dürr und hungrig und stromern durch die Stadt. Hier kann man doch als Reisender nicht Kultur, Geschichte oder was weiß ich was genießen. Ich finde es nicht schön, all das Elend zu sehen, ich kann auch nicht darüber hinwegsehen, alles tut mir sehr leid. Bestimmt ist es als Radtourist auch anders als mit einer Reisegruppe, da wird man nur dorthin geführt, wo es halbwegs okay ist, und düst schnell wieder ab. Aber hier ist man mittendrin und voll dabei.

Rabat – ganz anderes Marokko

Wir sind in Rabat angelangt, der Hauptstadt von Marokko. Hier ist alles ganz anders. Erstens gibt es eine große Auswahl an Hotels, auch mit besserem Standard. Zweitens ist alles sauberer. Drittens strahlen nun die Leute auch mal und lachen und scherzen. Mit uns und auch untereinander. Ein Junger Mann wollte gleich mein Fahrrad ausprobieren und war schwer begeistert. Die Mädchen im Hotel bewundern mich, weil ich so weit mit dem Rad gefahren bin. „Strong Woman, is this nice!“

Nun, Geld bedeutet wie überall, auch in Marokko Handlungsspielraum, Bildung und Sauberkeit. Die Frauen zeigen sich teilweise unverhüllt.

Ein lebhafter Markt befindet sich in der Medina, zwar isst und trinkt niemand, aber offensichtlich leiden diese Menschen nicht darunter. Wir werden nicht „angemacht“ und können alles bestaunen.

Es gibt keine Pferdekarren, nur elegante Reiter, die die Sehenswürdigkeiten der Stadt bewachen. Touristen sind hier zwar keine, aber dafür alles, was man zum Leben braucht. Im Hotel gibt es sogar Frühstück, heute morgen haben sie uns hungrig außer Haus radeln lassen.

Nun, wir konnten noch kurz einen Blick auf das Mausoleum Mohameds V. werfen, leider heute schon geschlossen, wegen der Flugschau, die wir auch bestaunen durften.

Hier lässt es sich aushalten. Ja, was so ein König in der Stadt doch ausmachen kann.

Tagesetappe: 30.07.2012

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
30.07.2012 1.742 1.749 192,57