Tourismus nein danke – Tourismus ja bitte!

Um 2.20 fängt mein erster Tag in Marokko an. Die Wecktrommler des Ramadan ziehen durch die Straßen und wecken Mensch, Hund und Katz auf, damit sie essen und beten. Kurz danach Stimmengewirr auf den Straßen, Autos fahren wild hin und her. Kurz darauf Stille, eine ganze Weile später singt der Muẹzzin. Dann kräht der erste Hahn, es wird langsam hell. Unglaubliche Ruhe tritt ein, kein Auto fährt, kein Mensch redet, nichts mehr regt sich. Irgendwann finde ich durch diese Stille doch wieder in den Schlaf und wache gegen 8.00 Uhr Ortszeit  auf. Es ist genauso still wie früh morgens. Die Menschen schlafen offensichtlich immer noch.

Ich dachte wirklich nicht, dass hier in diesem touristischen Ort der Ramadan so strickt eingehalten wird. Überhaupt dominiert das islamische Leben das Bild. Frauen, seltenst mit offenen Haaren, wenn überhaupt zu sehen, mit bunten Gewändern. Es ist eine Männerwelt, zumindest auf der Straße und sogar am Strand gehen die Männer mit den Kindern baden, keine Frau zu sehen.

Später sitze ich beim Friseur auf einem kleinen Stuhl, auch der Laden ist klein, während Toni sich rasieren lässt und ich habe Zeit, die Straße durch die offene Türe zu inspizieren.

Drüben auf der anderen Seite sitzen drei Berberfrauen mit bunten Hüten und verkaufen Kaktusfrüchte. Ein Pferdekarren fährt vorüber, eine Oma, gebeugt vom Alter mit herrlich türkisnem Outfit, mit Silberbordüren eingefasst, schleicht vorbei. Ein zerlumpter Bettler macht die Runde, mit zuckenden Armen und zerlumpten Kleidern. Jemand gibt ihm etwas. In dem Moment biegt ein nobles deutsches Fahrzeug mit holländischem Kennzeichen um die Ecke. Ein Lastwagen hinter dem Geschäft lässt den Motor laufen, lädt Speiseeis aus, es riecht nach Diesel. Es ist eine Welt der Ungleichzeitigkeiten, alles auf einmal und doch in verschiedenen Zeitaltern, so kommt es mir vor.

Allerdings finde ich es hier viel ärmer und die Leute sind vielleicht deswegen sehr aufdringlich, weil sie es wirklich nötig zu haben scheinen. Sie sind aggressiver und ein „Nein“ wird schwer akzeptiert. Mittlerweilen haben wir unser Pokerface gefunden und es geht nun etwas besser mit dem Abwimmeln der Händler.

Es ist mir nicht alles fremd, ich kenne vieles aus der Türkei, die wir oft bereisen. Aber so richtig wohl fühle ich mich (noch) nicht, im Gegensatz zu Toni habe ich das Gefühl, mich als Frau oder als Touristin nicht frei bewegen zu können.

Plötzlich finde ich Tourismus ganz toll und bin froh um jeden Franzosen oder Spanier, den man zu Gesicht bekommt. So kann sich das Blatt wenden!

P.S. Wir sind heute nicht gefahren, haben einen Ruhetag eingelegt, um uns ein wenig schlauer zu machen und zur Ruhe zu kommen.

5 Gedanken zu „Tourismus nein danke – Tourismus ja bitte!

  1. so ist das immer man fährt und fährt alles zieht an einen vorbei woran erinnert man sich zum schluss???? meistens sind es nur die bilder die man aufgenommen hat….. vieles kommt wie immer erst später wenn man zu hause ist…, aber das kennt ihr ja.

    • @udo: nein so ist es bei mir nicht. wir waren 2006 in Südafrika. wenn ich die Bilder anschaue, denke ich mir, nein, da war ich nicht. Tolle Landschaft, Safari, Tiere, Strand, alles perfekt. Aber nur auf dem Bild. Der „Urlaub“ oder ich nenne es Bildungsreise – war ganz anders. Unterdrückte, arme Schwarze die in Ghettos leben, schmutzige Arbeit der Reichen verrichten, die Seite wechseln, wenn man auf dem Gehsteig läuft. Waldbrände, Schlangen, Stromausfälle, Paranoia hinter Gittern, nicht Spazierengehen, nicht rausgehen einfach so. Schrille Kellner, Essen Quatsch, nicht mal der Wein hat geschmeckt – nein. Die Verklärung ist auch nach Jahren nicht eingetreten.

  2. Ja, vieles genau erkannt und schon mittendrin. Waehrend des Ramadan in MAR ist vieles anders. Im Norden und an der Kueste noch etwas abgeschwaechter, im Sueden und im Inland ganz anders als es sonst ist. Es fehlt die sonstige nimmerendende Lebhaftigkeit auf den Strassen u. Plaetzen, die sonst an jeder Ecke koechelnden Tagine Toepfe, die immerwaehrenden Teezeremonien in den gutbesuchten Cafes.
    Trotzdem gute Weiterfahrt in neue Eindruecke u. Erlebnisse

  3. Na, da benötigt Tonis islamistisch-moslemisches Weltbild wohl dringend der Korrektur:
    1. Die Spitze der Schöpfung ist: der Mann
    2. Danach kommen die Regeln.
    3. Pferd, Esel, Hund und Katz
    4. Ach ja, und dann gibt’s ja auch noch die zweite Hälfte der Menschheit, wenn auch ganz am Ende der Skala.
    Trotzdem wünsch ich auch dir, liebste aller Schwägerinnen, viel Spaß. Und dass du wahrgenommen und respektiert wirst in dieser Männerwelt. Wär vielleicht angebracht, wenn du deinen Teil dazu beiträgst (lange Hosen wären nicht schlecht).

    Viele Grüße
    Günni

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