Sich wohlfühlen

Sich wohlfühlen

Nein – wir fühlen uns hier in Marokko noch überhaupt nicht wohl. Der Gipfel war Larache – es ist elend dort: es stinkt, es ist dreckig, die Stadt ist heruntergekommen, die Menschen sind lustlos bis unfreundlich.
Es ist nicht Ramadan-totenstill hier. Es wird Ware feilgeboten, es wird gekauft, es wird gehandelt. Aber es ist wohl ruhiger, als zu nicht Ramadan-Zeiten.
Aber das ist es nicht. Wir sitzen in einem Cafe – ohne Kaffee. Wir schauen hinaus auf das Meer. Die jugendlichen Männer sitzen herum, schlagen die Zeit tot. Wo sind die Frauen?
Es ist ihnen langweilig – elend langweilig. Wir spüren dies und uns geht es ähnlich. Wir schlagen die Zeit tot. Es gibt nichts zu sehen, nichts zu erleben. Es ist einfach nur fürchterlich langweilig.
Und es ist erschreckend arm hier. Nahezu alle Häuserfassaden zerfallen, es ist unaufgeräumt, überall liegen Dinge rum. Es stinkt.
Und was das allerschlimmste ist: die werfen ihren Müll einfach über die Brüstung auf die Küste vor dem Meer. Da fehlen mir die Worte.



Warum fühlen wir uns nicht wohl? Wir reden ständig drüber und sind uns einig, daß die Menschen trotz Ramadan auch netter sein könnten. So waren wir eben im Internetcafe. Eine verschleierte junge Dame hat uns den Platz zugewiesen und später abkassiert. Die hat keine Miene verzogen. Nein es war fast so, als würde Sie auf unser Geld spucken wollen – so abweisend.
Wir respektieren den Ramadan – keine Frage. Wir essen und trinken nicht in der Öffentlichkeit. Nein – wir tun es im Hotelzimmer, daß sich keiner gestört fühlt. Wir geben uns nicht intolerant, werden aber so behandelt.
Während Asilah gestern noch Touristen hatte, ist es hier touristenlos – vollkommen.
Wir merken nichts vom orientalischen Leben.

Mittendrin und voll dabei

Mein neuer Reiseführer von Dumont 2012 schreibt über Larache folgendes: „Larache liegt in einer schönen Landschaft inmitten von Obstplantagen…Die Stadt hat eine sehenswerte Medina.“

Desweiteren hat er u. a. Hotelempfehlungen enthalten. Das beste Hotel am Platze, angeblich familientauglich, schaut aus, als ob eine Bombe darin eingeschlagen hätte. Es hat komplett geschlossen, das Eisentor ist zu. Es wird angeblich bis „Juni 2011“ renoviert sein, sagt eine verwitterte Tafel.

Von der Obstplantage habe ich beim Einfahren nichts gesehen, hier ist alles kahl drumherum. Der Reiseführer enhält ein Bild von Larache, sehr malerisch, die Promenade mit den Ruinen im Hintergrund und eine bedachte Arkade. Die Arkade steht noch, die Ruinen auch, aber die Beschattung ist weggerissen, Fetzen hängen noch da. Der Abgrund ist voller Müll, bis zum Badestrand, nur männliche Marokkaner baden dort. Die Medina ist mehr als schmutzig, sie ist eklig und stinkt. Mir ist permanent übel, zu essen gibt es ja eh nichts, zu trinken auch nicht. Mir vergeht das Sightseeing, zur Ruinenstadt will ich erst recht nicht mehr.

Am Fischerhafen streiten sich die aggressiven Männer, ein Gerangel, der riesige Fisch, um den offensichtlich gestritten wird, fällt platschend  auf den dreckigen Boden, die Polizei geht dazwischen, ein Tumult sondersgleichen.

Das verstehe ich alles nicht. Entweder der Reiseführer übertreibt maßlos oder die haben den Tourismus hier abgeschafft.

Omei, so habe ich es mir wirklich nicht erdacht. Zumal die Leute an der Küste vom Tourismus zwar leben wollen, aber den Touristen knallhart am Ramadan nichts zu essen oder zu trinken geben. Sie nehmen uns nicht mal wahr, was zu verstehen ist.

Manche sind bettelarm, Kleider in Fetzen, dürr und hungrig und stromern durch die Stadt. Hier kann man doch als Reisender nicht Kultur, Geschichte oder was weiß ich was genießen. Ich finde es nicht schön, all das Elend zu sehen, ich kann auch nicht darüber hinwegsehen, alles tut mir sehr leid. Bestimmt ist es als Radtourist auch anders als mit einer Reisegruppe, da wird man nur dorthin geführt, wo es halbwegs okay ist, und düst schnell wieder ab. Aber hier ist man mittendrin und voll dabei.

Rabat – ganz anderes Marokko

Wir sind in Rabat angelangt, der Hauptstadt von Marokko. Hier ist alles ganz anders. Erstens gibt es eine große Auswahl an Hotels, auch mit besserem Standard. Zweitens ist alles sauberer. Drittens strahlen nun die Leute auch mal und lachen und scherzen. Mit uns und auch untereinander. Ein Junger Mann wollte gleich mein Fahrrad ausprobieren und war schwer begeistert. Die Mädchen im Hotel bewundern mich, weil ich so weit mit dem Rad gefahren bin. „Strong Woman, is this nice!“

Nun, Geld bedeutet wie überall, auch in Marokko Handlungsspielraum, Bildung und Sauberkeit. Die Frauen zeigen sich teilweise unverhüllt.

Ein lebhafter Markt befindet sich in der Medina, zwar isst und trinkt niemand, aber offensichtlich leiden diese Menschen nicht darunter. Wir werden nicht „angemacht“ und können alles bestaunen.

Es gibt keine Pferdekarren, nur elegante Reiter, die die Sehenswürdigkeiten der Stadt bewachen. Touristen sind hier zwar keine, aber dafür alles, was man zum Leben braucht. Im Hotel gibt es sogar Frühstück, heute morgen haben sie uns hungrig außer Haus radeln lassen.

Nun, wir konnten noch kurz einen Blick auf das Mausoleum Mohameds V. werfen, leider heute schon geschlossen, wegen der Flugschau, die wir auch bestaunen durften.

Hier lässt es sich aushalten. Ja, was so ein König in der Stadt doch ausmachen kann.

Tagesetappe: 30.07.2012

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
30.07.2012 1.742 1.749 192,57