Ramadan und Schweinsteiger

Wir kennen den Fastenmonat Ramadan aus der Türkei. Aber hier in Marokko scheint es, wird die Sache viel ernster genommen. Untertags ist kaum jemand auf der Straße. Zu Essen und zu trinken bekommt man nur an einigen ausgewählten Stellen. Zum Glück ist Asilah bislweilen von Touristen besucht und so herrscht doch etwas Leben in der Stadt.
Die Marokkaner haben auf Energie sparen umgeschalten. Alle bewegen sich kaum und wenn dann – sehr langsam. Es gilt die Zeit „totzuschlagen“ bis es abends wieder etwas Nahrung gibt.
So auch der Frisör: Langsam und bedächtig kümmert er sich um jedes meiner Barthaare. Gleich dreimal werde ich eingeseift und wieder von neuem rasiert.
Aber: Er ist mit voller Konzentration dabei. Das ist es, was ich an den moslemischen Ländern generell so mag – für die Menschen ist der Mensch das Wichtigste. Oder wie ich immer sage: Erst kommt der Mensch und dann die Regel. In Deutschland bzw. Europa finde ich, ist es eher umgedreht – erst die Regel und dann erst der Mensch.
So also sitze ich beim Frisör und lasse meine eh kurzen Bart auf Vordermann bringe und bin mir dabei der vollen Aufmerksamkeit des Frisörs bewußt. Er tut nur dies und das mit voller Hingabe. Davon können wir uns eine Scheibe abschneiden. Wir in Europa tun meist mehrere Dinge gleichzeitig. Vieles entgeht unserer Aufmerksamkeit. Ich war neulich in Köln in der Straßenbahn. Lauter junge Menschen, die auf Ihrem Smartphone rumtippen, über den Ohrstöpsel Musik hören und nebenbei noch eine Zeitschrift durchblättern. Einzig wer neben ihnen sitzt, könnten sie nachträglich nie sagen.
Hier fühle ich mich wahrgenommen und das ist sehr gut.
Darum liebe ich es, in der Türkei Urlaub zu machen – dort geht es mir ähnlich.


Leider klappts mit der Kommunikation beim Frisör nicht so gut. So tauschen wir also Fußballernamen aus. Messi, Ronaldo, Maradonna (der spielt zwar schon seit gefühlten Jahrhunderten nicht mehr Fußball, scheint hier aber noch sehr präsent zu sein) – und Schweinsteiger…. Und mit Schweinsteiger kann ich keinen Treffer landen. Den kennt er einfach nicht.
Und jetzt weiß ich, daß ich schon weit weg von zu Hause bin. So weit sogar, daß man Schweinsteiger nicht mehr kennt…

Nach 5 Wochen

Wir sind ja nun 5 Wochen unterwegs und haben viel gesehen, viel erlebt und schon etliche Länder bereist. Doch einige Dinge fehlen mir allmählich:

1. Ich finde es einfach spitze, daß ich in Deutschland das Wasser aus der Leitung trinken kann – immer und überall. Und jeder Schluck schmeckt soviel besser wie jedes Wasser in den Plastikflaschen, das man zu kaufen bekommt.

2. Mir fehlt die Verständigung über die Sprache. Wir kommen mit englisch, ein Paar Brocken französich und noch weniger spanisch gut voran, aber eine echte Unterhaltung kommt nirgends zustande. Oft würde mich so Vieles interessieren, aber wir können es nicht in Erfahrung bringen.

3. Regen und die Farbe grün: Seit 2-3 Wochen wird die Landschaft sukzessive karger. Mal wieder sattes Grün sehen und Regen spüren – das wär schon was. Ja – ich weiß – zu Hause hat es meist viel zu viel Regen. Aber jetzt wäre mir die Abwechslung mal wieder ganz recht.

4. Monotonie: Nahezu jeden Tag sind wir nun woanders gewesen. Immer unterwegs – immer auf neue Gegebenheiten müssen wir uns einstellen. Allmählich wäre etwas Stabilität nicht schlecht. Vielleicht ist Monotonie dahingehend etwas übertrieben formuliert. Einfach etwas weniger Abwechslung und tägliche Herausforderung bzw. ständige Unsicherheit – das wäre schon mal ganz angenehm.

Tourismus nein danke – Tourismus ja bitte!

Um 2.20 fängt mein erster Tag in Marokko an. Die Wecktrommler des Ramadan ziehen durch die Straßen und wecken Mensch, Hund und Katz auf, damit sie essen und beten. Kurz danach Stimmengewirr auf den Straßen, Autos fahren wild hin und her. Kurz darauf Stille, eine ganze Weile später singt der Muẹzzin. Dann kräht der erste Hahn, es wird langsam hell. Unglaubliche Ruhe tritt ein, kein Auto fährt, kein Mensch redet, nichts mehr regt sich. Irgendwann finde ich durch diese Stille doch wieder in den Schlaf und wache gegen 8.00 Uhr Ortszeit  auf. Es ist genauso still wie früh morgens. Die Menschen schlafen offensichtlich immer noch.

Ich dachte wirklich nicht, dass hier in diesem touristischen Ort der Ramadan so strickt eingehalten wird. Überhaupt dominiert das islamische Leben das Bild. Frauen, seltenst mit offenen Haaren, wenn überhaupt zu sehen, mit bunten Gewändern. Es ist eine Männerwelt, zumindest auf der Straße und sogar am Strand gehen die Männer mit den Kindern baden, keine Frau zu sehen.

Später sitze ich beim Friseur auf einem kleinen Stuhl, auch der Laden ist klein, während Toni sich rasieren lässt und ich habe Zeit, die Straße durch die offene Türe zu inspizieren.

Drüben auf der anderen Seite sitzen drei Berberfrauen mit bunten Hüten und verkaufen Kaktusfrüchte. Ein Pferdekarren fährt vorüber, eine Oma, gebeugt vom Alter mit herrlich türkisnem Outfit, mit Silberbordüren eingefasst, schleicht vorbei. Ein zerlumpter Bettler macht die Runde, mit zuckenden Armen und zerlumpten Kleidern. Jemand gibt ihm etwas. In dem Moment biegt ein nobles deutsches Fahrzeug mit holländischem Kennzeichen um die Ecke. Ein Lastwagen hinter dem Geschäft lässt den Motor laufen, lädt Speiseeis aus, es riecht nach Diesel. Es ist eine Welt der Ungleichzeitigkeiten, alles auf einmal und doch in verschiedenen Zeitaltern, so kommt es mir vor.

Allerdings finde ich es hier viel ärmer und die Leute sind vielleicht deswegen sehr aufdringlich, weil sie es wirklich nötig zu haben scheinen. Sie sind aggressiver und ein „Nein“ wird schwer akzeptiert. Mittlerweilen haben wir unser Pokerface gefunden und es geht nun etwas besser mit dem Abwimmeln der Händler.

Es ist mir nicht alles fremd, ich kenne vieles aus der Türkei, die wir oft bereisen. Aber so richtig wohl fühle ich mich (noch) nicht, im Gegensatz zu Toni habe ich das Gefühl, mich als Frau oder als Touristin nicht frei bewegen zu können.

Plötzlich finde ich Tourismus ganz toll und bin froh um jeden Franzosen oder Spanier, den man zu Gesicht bekommt. So kann sich das Blatt wenden!

P.S. Wir sind heute nicht gefahren, haben einen Ruhetag eingelegt, um uns ein wenig schlauer zu machen und zur Ruhe zu kommen.