Gestern abend beim Abendessen fragte ich Hans, unseren besten Freund, ob es ihm gefiele, mit uns hier zu sein. Er meinte, bis jetzt schon und es ginge erst richtig los. Ich musste nachfragen, was denn wann losginge? Er meinte, erst wenn wir in einem anderen Land wären, ginge das Erleben und das Neuartige los.
Das ist eben der Unterschied zwischen einer Radreise und einer Autoreise: das Erleben der Unwelt mit dem Körpereinsatz ist viel intensiver, als in einem Fahrzeug zu sitzen. Und so es ist für uns schon lange losgegangen.
In Zürich angekommen
Mein Freund …
Während ich so vor mich hinradle, muß ich öfters an einen Freund denken.
Aber kurz zur Vorgeschichte: Ja – Simone und ich – wir erfüllen uns hier einen Traum. Und ich finde es total wichtig, seine Träume zu leben – sein Leben zu leben und seine Ideen zu realisieren. Und darum machen wir es. Denn irgendwann kann man rein physisch so eine Tour eben nicht mehr machen.
Aber nun zu einem Freund: Ich kenne ihn seit gut 15 Jahren und seitdem arbeitet er bei einer Firma, hat 5-6 Wochen Urlaub je Jahr und ist nur unzufrieden. Vor allem ist er das mit seiner Arbeit. Er jammert ständig – morgens wenn er hin muss, untertags, wenn er dort ist und ebenso abends und wochenends. Es ist eine Katastrophe.
Und ich frage mich, was einen Mensch dazu bringt, ständig unzufrieden zu sein – vor allem mit der Arbeit, die ja den Großteil der Lebenszeit ausmacht – und nichts daran ändern zu wollen.
Vielleicht hat er ja mehrere Leben – da kann er ruhig mal eines vergeuden.
Ich glaube, die Zeit ist zu schade, als sich nur zu quälen. Man muß doch dann irgendwann mal die Schnauze so voll haben und etwas ändern. Simone sagt immer: Entweder man ändert sich oder das Leben ändert dich.
Immer nur die anderen?
Heute sind wir auf Zürich zugefahren, besser gesagt, auf den nahegelegenen Flughafen. Die Flugzeuge starten im Minutentakt über die dicht besiedelten Wohngebiete der kleinen idyllischen Örtchen. Ohrenbetäubender Lärm und beängstigende Tiefe der Ferienbomber und Businessflieger lassen uns immer wieder nach oben starren. Wir können es nicht fassen, so viele sind es.
Klar, ich fliege auch gerne mal in den Urlaub, klar, ich fliege auch geschäftlich mal nach Hamburg. Klar ich brauche jeden Tag Strom aus der Steckdose und den Fön und den Kühlschrank. Aber vor der Haustüre einen Flugplatz? Nee nee. Vor der Haustüre ein Atomkraftwerk? Nein Danke!?
Aber irgendwo muss das Zeugs ja stehen! Wenn nicht vor meiner Haustüre, so hier oder in Gundremmingen, München, Zürich.
Ein Kommentar in den vergangenen Tagen wies auf, dass der Mensch, der ihn verfasste, in Sehweite eines Atommeilers wohnt. (Der macht wenigstens keinen Lärm.) Hier die Menschen wohnen direkt am Flugplatz. Sind betroffen von den Auswirkungen dieser wirklich belastenden Situation. Ich denke mir, das sind doch Menschen wie ich auch, und sie können eigentlich nichts dagegen tun, dass der Flugverkehr zunimmt. Wie wehren? Verzweifeln? Nicht fliegen ist wahrscheinlich auch nicht immer eine Lösung. Man kann eben nicht immer so viel Zeit aufwenden um mit dem Rad nach Marokko zu fahren.
Ich ziehe meinen Hut vor denen, die in solchen Situationen nicht verzweifeln. Es ertragen und es Tag für Tag mit erleben. Ob ich auch so tapfer wäre, wenn in Obergriesbach ein Flugplatz mit solchem Ausmaß gebaut würde? Ich weiß es nicht…
Tagesetappe: 27.06.2012
Tag | Höhe ↑ (in m) | Höhe ↓ (in m) | Strecke (in km) |
---|---|---|---|
27.06.2012 | 516 | 415 | 56,22 |
Bergziege und Delphin
Ich muß Euch ein Geheimnis verraten: Sofern es ein früheres Leben – vielleicht auch in einer anderen Inkarnation gegeben hat – so muß ich mal eine Bergziege gewesen sein. Immer wenn ich Berge sehe, fühle ich mich sofort wohl und daheim. Und – das ist für Simone nicht immer leicht zu ertragen – dann will ich hinauf auf den Berg – zu Fuß oder mit dem Velo. Deshalb ist es für mich hier so schön: vor mir der Zürichsee und dahinter sehe ich schon die Berge und dahin geht es nun heute weiter.
Simone war sicher in einem früheren Leben ein Delphin. Immer wenn Sie Wasser sieht, muß sie hinein. Am liebsten ist ihr das Meer – z. B. das warme Mittelmeer. Und da fahren wir auch hin 🙂
So ist die Radtour für uns beide eine schöne Sache und jeder kommt auf seine Kosten.
Und es ist schön, daß als Paar erleben zu können.
Bammel vor dem Gotthard-Pass
Heute schon habe ich etwas Herzklopfen vor dem großen Berg, den Serpentinen, dem Aufstieg morgen. Respekt habe ich schon immer gehabt vor großen Bergen, aber seit ich vor zwei Jahren den Großglockner gefahren bin, habe ich regelrecht Angst. Warum weiß ich jetzt selber nicht so genau. Damals hab ichs ja auch überlebt, zwar mit einem Sturz wegen den Klickpedalen, mit einem Riesen Schreck im Nacken, aber sonst säße ich heute nicht schon wieder im Sattel.
Aber manchmal ist es besser, keine Erfahrung zu haben. Dann projiziert man die Erlebnisse nicht in das Kommende. Nun ja, aber wie vorangegangen beschrieben, heute ist heute und jetzt ist jetzt.
Apropos Heute: wir fahren heute in die Schwyz – nicht in die, sondern dahin, wo die Schweiz ihren Namen herhat.
Zugersee
Schwyz in Sicht
Rassismus, schwyzer Käs und toller Marktplatz
Kurze Meldung: sitzen nach schwülheißer Fahrt am Marktplatz in Schwyz und denken über einen Käskauf nach. Heute Abend werden wir eine Nudelparty starten.
Bei der Herfahrt haben uns einige Autofahrer angehupt, den Stinkefinger gezeigt und „Scheiß Deutschland“ aus den Auto geschrien. Ich wusste echt nicht, das die Schweitzer rassistisch sind