Mut zum Radreisen

Dieser Beitrag soll allen Mut machen, die hier zusehen, gerne mal länger radeln wollen, sich so etwas aber nicht zutrauen. Gut, das Argument, dass man so lange keine Zeit hätte, das zählt natürlich. Aber ich bin dafür, dass man es ja nicht gleich so halten muss, wie wir das tun. Wir haben auch mal „klein“ angefangen. Das „verrückte“ kommt dann schon.

Wenn man nur 14 Tage Zeit hat, zum Beispiel, reicht es für eine Radreise vollkommen aus, um zu spüren, wie gut so etwas tut. Man ist in Bewegung, immer draußen, und kommt gut voran. Man sieht Orte, wo man nie hinreisen würde, man ist an Stellen, wo man normal nie essen würde und schläft in Zimmern, die man nie buchen würde. Die Überraschungen sind groß, aber nicht negativ, ganz im Gegenteil! Gerade Europa ist so vielseitig und das Reisen mit dem Rad wird hier immer einfacher und sicherer.
Plant man eine Reise nur auf Radwegen, so kann man sich voll auf das Radeln konzentrieren und ist nicht mit dem Verkehr beschäftigt.
Die erste Woche ist hart, das ist sie jedes Mal. Der Körper muss sich gewöhnen, an die Belastung, an das immer draußen sein, an den Hunger und den Durst. Aber nach ca. fünf Tagen merkt man, dass es schöner und einfacher für einen selbst wird.
Wir hören immer wieder ein Staunen darüber, wie viele Kilometer und Höhenmeter wir täglich fahren. Oft sagen die Menschen „Oh, wenn ich schon 15 Kilometer fahre, tut mir alles weh!“
Anderes Beispiel: Unser Freund Hans hat die Testfahrt (2 x 80 km) mit uns gut gemeistert, und er ist wirklich nicht gut trainiert. (Er hat sich voriges Jahr auch ein günstiges Tourenrad gekauft, das für ihn super passt).
Das Glücksgefühl, etwas geschafft zu haben, ist abends so schön, dass man den Muskelkater schnell vergisst. Man erholt sich auch schnell von der Anstrengung des Tages, viel schneller als wenn man zu Fuß unterwegs ist.
Ist der Geldbeutel schmaler, so kann man auch mit Zelt reisen, und sich öfters im Supermarkt Essen kaufen. Bequemer ist es natürlich im Zimmer, und auch Essen zubereiten ist abends vielleicht schon stressig. Man sollte bedenken, dass man sich das Geld für eine teure Flugreise einspart.
Ein Thema ist das Fahrrad. Wir glauben tatsächlich, dass das Wohl und Wehe auf so einer Reise das Velo ausmacht. Es MUSS einfach passen. Kein aufgemotztes Mountainbike oder schickes Rennrad, keins ohne Schutzblech und Licht. Keins mit dicken Reifen. UND UM GOTTES WILLEN, KEIN RUCKSACK!!
Und der Sattel ist so wichtig, sowie die Stellung des Lenkers (gekröpft muss er sein, auf keinen Fall gerade). Solche Fahrräder gibt es schon ab 500 Euro, teurer ist besser, sicherer. Der/die Gepäckträger müssen Lasten aushalten und die Bremsen sollten Öldruckbremsen sein. Bedenkt man, dass man mit Gepäck wesentlich schwerer ist und die Bremsen das auch aushalten müssen. Der Reifen sollte von Schwalbe sein und „Marathon“ heißen. Pannen schier ausgeschlossen! Größerer Durchmesser ist immer besser.
Wir würden nur im Fachhandel kaufen. Sonst wird man nicht glücklich. Das ist kein Spaß, wenn das Rad nicht passt.
Alles in allem muss man sich die Investition natürlich überlegen, aber ein Fahrrad, das passt, verwendet man auch im Alltag und der Freizeit viel öfter und lässt das Auto dafür stehen. Hat man doch sein Cabrio ganz ohne Benzin am Laufen und das Fitnessstudio kann man sich schenken.
Der EuroVelo-6-Radweg hat mich zu diesem Beitrag inspiriert, ist er doch tatsächlich fast 1000 Kilometer lang und nur flach am Fluss und Kanal entlang. Das ist richtig, richtig toll! Und wie gesagt, wenn man nicht so lange Zeit hat, so kann man mit dem Zug an die Grenze Frankreichs fahren, nach Basel und dann bis nach Nantes nur auf Radwegen den Atlantik besuchen! Fantastisch finde ich das!

Jetzt ist es soweit

Nach fünf Wochen fahren wir über die deutsche Grenze.
Uns steigt das Adrenalin im Blut hoch, denn es ist ein erhebendes Gefühl nach so langer Zeit wieder in Deutschland zu sein! aber wir sind ja noch nicht zu Hause. Es sind noch circa 360 km. Also noch nicht zu früh freuen.

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Fazit Frankreich

Ach France, wir lieben dich! Du bist schön, hast viel Platz, du hast gutes, nein, hervorragendes Essen und tolle Kultur. Du bist eine Perle im Radlelland Europa. Aber wie das auch in der Liebe ist, perfekt bist du auch nicht. Aber der Reihe nach.

Der allerschönste Abschnitt für uns war wohl hinter der spanischen Grenze im Bereich der Pyrenäen. Das Land, grün, satt, viel Natur, viele Tiere und Bauern, die sorgsam das Land bewirtschaften. Leckeres ursprüngliches Essen versüßten uns die miesen Regentage.
Lourdes war auf jeden Fall den großen Abstechernach Süden wert, liegt es doch irgendwo am Fuße der Berge und wahrscheinlich wären wir dort nie extra hingereist.
Die Atlantikseite Frankreichs ist flach, unbewohnt umbewirtschaftet und hat nichts Spezielles, gerade bei dem vielen und starken Regen, wie wir ihn hatten, taten wir gut daran, das ganze mit dem Zug zu überbrücken. Über Bordeaux können wir nichts sagen, Regen in Strömen.
Das zweitschönste Erlebnis war für uns der Abschnitt an der Loire entlang vom Kloster Fontevraud bis Orleans und etwas danach. Da ballen sich Schlösser und Schönheit, Hochkultur des kulinarischen Genusses, Weingüter und und und. Wir kamen dort aus dem Staunen nicht heraus.
Das drittschönste war der Abschnitt bis Deutschland, immer an Kanälen und Flüssen entlang, eben, der Weg sich leicht schlängelnd, ging es dahin. Ideale Wetterbedingungen begünstigten das Erlebnis zusätzlich und ließen auch die Anblicke der Atomkraftwerke und manch langweilige Etappe ohne Bäume oder Interessantes schnell wieder vergessen.
Die Infrastruktur ist für den Radler nicht ganz optimal, liegen doch zwischen den Tagesetappen oft 70–90 Kilometer, bei Reisen mit Kindern oder nicht trainierten Menschen könnte es manchmal eng werden. Dazu kommt, dass man mittags ein Problem mit Essen bekommt. Besser ist, man versorgt sich morgens mit Brotzeit für den Weg.
Was uns aufgefallen ist, bei all dem Lob über hier: die Menschen sind nicht warm. Sie fragen nie, woher man kommt, woher man ist, wohin man fährt. Man wundert sich über nichts, kommt somit auch nicht ins Gespräch, sie sind einfach nicht an Ausländern interessiert. Man ist mittendrin und voll dabei, aber einsam und unberührt bleibt man doch. Es kann aber nicht nur an der Sprachbarriere liegen, Franzosen sprechen sehr gut Englisch, es ging ja auch mit „Händ und Füß“, wie andere Länder es beweisen.
Zusammenfassend kann man sagen: Frankreich und speziell die Tour vom Rhein zum Atlantik ist für Radfahrer ein Paradies. Allerdings lassen sich es die Franzosen auch bezahlen, denn wird es ab Orleans kostspielig. Der Eintritt der Schlösser liegt zwischen 12 und 17 Euro pro Person, die Zimmer sind gut ein Drittel bis doppelt so teuer als im Rest von Frankreich.
Beim Essen gehen wird man an der Loire fast arm. Das muss leider erwähnt werden. Wer glaubt, das Radreisen hier billig ist, liegt falsch. Selbst die Reiseführer waren davor.
Alles in allem bekommt Frankreich gut Sterne von uns; wir kommen auch einmal wieder – so der liebe Gott es will.