Heute hatte ich keine Lust

Der Radeltag war hart. Nicht die Steigung, die am Anfang war, meine Oberschenkel sind super ausgeruht gewesen. Nicht die Strecke danach, die war gerade. Aber genervt hat der oberblöde Gegenwind auf der gesamten Strecke. Und genervt hat auch die griechische Tante von der Tankstelle, die uns nicht bedienen wollte. Mann, hungrig weiterzufahren, das war obergemein.

Ein paar Kilometer weiter wollte uns dann doch jemand noch einen Salat verkaufen. Dann ging es schon. Den Nachmittag hat mir ein Eis gerettet (wie ein kleines Mädel).

Diese Tiefs habe ich immer nach Pausentagen…heute bin ich froh, dass wir es bald geschafft haben werden. Das kann aber morgen wieder anders sein!

Tagesetappe: 21.08.2010

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
21.08.2010 752 763 80,69

Was haben wir den Griechen bloß angetan?

Der Sturm reißt an meiner Kleidung und ich habe Mühe, das Fahrrad gerade auf der Straße zu halten. Während ich gegen diesen unglaublich starken Gegenwind kämpfe, denke ich über die Griechen und unser Verhältnis (als Volk) zu ihnen nach. Ich sammle die Informationen über die Griechen zusammen, die wir bis jetzt getroffen haben. Die, mit denen wir über das Leben sprechen konnten, konnten allesamt deutsch sprechen. Sie waren Gastarbeiter in Deutschland. Fünf, acht oder zehn Jahre waren sie da. Sie erzählen das ohne leuchtende Augen, anders als es türkische Gastarbeiter tun. Ohne Lächeln, eher mit Groll. Toni bohrt immer nach und fragt:“Und, hat Ihnen Deutschland gefallen?“ Sie zögern meistens mit der Antwort und ich glaube, sie möchten ihn nicht mit der Antwort verletzen, das zu sagen, was ihnen auf der Zunge liegt. Offensichtlich haben sie sich –  milde ausgedrückt – bei uns nicht wohlgefühlt. Kostas, der Pizzabäcker, sprach es aus – er meinte: „Dortmund ist eine schwarze Stadt!“ Damit meinte er gewiß nicht die Regierung.

Ein älterer Mann war in einer Papierfabrik Gastarbeiter und erzählte, dass seine Kinder in Deutschland ständig krank waren. Seit er wieder hier ist, ist alles besser. Jetzt kämen Albaner als Gastarbeiter nach Griechenland.

Jüngere Griechen schreien aus dem Auto „Hallo Ausländer“, oder andere Sachen. Einmal habe ich gesehen, wie ein junger Mann aus dem Auto eines Militärfahrzeuges einen Hitlergruß gemacht hat, als er an uns vorbei gefahren ist.

Hat die Generation meiner Eltern die Griechen schlecht behandelt, als sie in Deutschland waren? Ich wusste nicht einmal dass so viele Griechen bei uns gearbeitet hatten. Halten die Türken uns Deutsche mehr aus? Passen, trotz Religionsunterschiede, die Mentalitäten der Türken und Deutschen besser zusammen als die Griechen und die Deutschen?

Ich weiß es nicht. Heute habe ich allerdings ernsthaft überlegt, mir das Fussballfähnchen am Rad abzumachen. Auf der anderen Seite – wenn man ein deutsches Kennzeichen am Auto hat, wird man offensichtlich nicht als Ausländer beschimpft…

Tagesetappe: 22.08.2010

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
22.08.2010 474 474 86,29

Die E90

Ich melde mich spät, denn der heutige Radtag war lang und in der zweiten Hälfte sehr windig. Mit dem Zimmer hatten wir Probleme, weil wir in einer Urlaubsregion sind und die Griechen hier offensichtlich noch rege Urlaub machen.

Heute dachte ich über die Straße E90 nach. Wir fahren schon seit Anbeginn unseres Griechenlandbesuchs immer wieder auf ihr. Die Autobahn, die nun durch das ganze Land führt, nimmt nahezu den gesamten Verkehr auf.

Ich denke daran, dass vor ein paar Jahren die E90 wahrscheinlich eine der  wichtigsten Verkehrsadern war. Ich vernehme in meiner Fantasie jaulendes kreischendes rumpelndes und nimmer enden wollendes Getöse auf dieser Straße.

Tag und nacht, Sommer wie Winter, keine Ruhe. Nicht auszudenken, was das für die Orte, durch die sie führt, bedeutete. Lärm, Abgase, Leid, aber auch Geschäft, Leben, Lastwagenfahrer, Leute, Geschichten. Die Lastwägen quälten sich Kilometer für Kilometer weiter voran und wurden von rasanten Autofahrern überholt. Es wurde die große Liebe im Straßencafé gefunden oder beim Abschied auf dem Parkplatz geweint. Die Straße war bestimmt legendär und gefährlich, weil unzählige Menschen hier ihr Leben lassen mussten oder wollten.

Heute liegt sie da, wie ein gezähmter Wolf. Ruhig führt sie durch die Urlaubsorte. Die Restaurants sind verlassen, die Verkaufsstände verstaubt. Ich kann ungestört mit meinem Fahrrad in der Mitte der Fahrbahn fahren, es dauert ewig, bis ein verlassenes Auto kommt.

Irgendwie fühle ich mich wohl, weil ich mir nicht auszumalen weiß, wie es wäre, wenn es die Autobahn jetzt noch nicht gäbe, aber irgendwie bin ich auch berührt, weil ich fühle, auch eine Straße hat ihren Stolz, ihre Geschichte. und nicht mehr benützt zu werden, nicht mehr wichtig zu sein, das ist nicht nur für eine Straße nicht schön…

Tagesetappe: 23.08.2010

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
23.08.2010 452 438 96,36