Wer kein Risiko eingeht…

Als wir in Crotone auf Roberto Soldatini treffen, wird uns ziemlich sofort eine deutsche Dame vorgestellt. Sie wurde dazu genötigt, neben uns Platz zu nehmen. Zuerst schien es ihr unangenehm, doch als sie dann erfuhr, wie wir nach Crotone gekommen waren (mit dem Fahrrad), begann sie, mich auszufragen. Von allen die ihr wichtigste Frage war die nach der Sicherheit: „Ist denn das nicht gefährlich? Der Verkehr, die vielen Autos? Ist Euch noch nie etwas geklaut worden? Seid Ihr je überfallen worden?“ Ich entgegnete: „Die Menschen sind besser, als man denkt! Zuerst kommt immer die eigene Familie, die eigenen Kinder, das eigene Leben…“ Sie nickte erstaunt, als ob sie es auch erst jetzt bemerkte, dass dies so ist. Die Dame zählt 81, und so, wie sie aussieht, nämlich toll und jugendlich – ist ihr sicher noch nie etwas so Schlimmes widerfahren, wie sie sich vorstellen kann, was passieren KÖNNTE.

Warum sollte mich ein Lastwagenfahrer absichtlich zweidimensional plätten, käme er doch mit Sicherheit hinter Gitter. 

Nun, ich will das Risiko einer Radreise nicht kleiner reden, als es ist. Natürlich habe ich auch Angst. Angst vor Straßen, die voll sind, ohne Seitenstreifen. Angst, wenn wir durch dubiose Stadtviertel zirkeln. Angst bringt mich aber nicht weiter, sie lähmt und lässt unbesonnen handeln. Bis jetzt ist alles stets gut gegangen (Toi, toi, toi). Im Gegenteil, Vorurteile zerstreuen sich meist. Fantasia, das Riesenweib verliert bis dato immer!

Statistisch gesehen haben wir jedenfalls ein kleineres Risiko, überfahren zu werden, als hinter dem Schreibtisch einen tödlichen Herzinfarkt zu erleiden.

Gestern hatten wir ein Zimmer, dessen Schlafzimmer eine waghalsige Treppe nach unten hatte. In der Nacht bin ich die Treppe hinab und mich hat es – zum Glück – nur eine Stufe runtergehauen. Tja, die meisten Unfälle passieren eben doch im Haushalt!

Nun, ich merke aber, dass wir körperlich und seelisch von einer Radreise mehr profitieren, als dass es uns schadet. Ich merke, dass wir nach drei Wochen radeln wieder ein Gefühl dafür bekommen, was ein 50jähriger Körper alles leisten WILL und kann. Es fühlt sich saugut an, wenn man 1000 Höhenmeter am Tag schafft und am Abend nicht körperlich so ausgelaugt ist, dass man den Sonnenuntergang nicht mehr genießen kann, dazu ein Gläschen Wein. 

Also alles im grünen Bereich. Die Angst vor einem Unfall oder einem schlimmen Ereignis zertreue ich jeden Tag, beuge vor durch erhöhte Aufmerksamkeit (im Gegensatz zur verfluchten Treppe!). 

Jeder Augenblick ist einmalig und – er ist, wie er ist, nicht gut, nicht schlecht. Durch negative Fantasien kann man sich den Tag, die Wochen, den Urlaub, ja, das ganze Leben kaputt denken.

Und wenn es doch zum Schlimmsten kommen sollte, so habe ich wenigstens bis zu diesem Zeitpunkt das getan, was ich wirklich will – mich draußen bewegt, draußen gelebt und das Leben in vollen Zügen genossen! Mit einem russischen Sprichwort einfach ausgedrückt:

Wer kein Risiko eingeht, kann keinen Champagner trinken!

Tagesetappe: 11.07.2018

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
11.07.2018 41 31 7,90