Archiv des Autors: simone
Ich hab nen neuen Job!
Kaum über der Grenze, schon bin ich zur Simit-Verkäuferin geworden 🙂 Das ist der Unterschied zu allen Ländern. Die Türken freuen sich total, dass wir da sind und fragen uns, Mofafahrer fahren neben uns her und die LKW-Fahrer hupen und winken – anders als die anderen, ganz zart, um uns nicht zu erschrecken, immer mit einem Lächeln.
Die Tomaten sind nicht aus dem Eisfach, sie schmecken nach Sonne und sind geschält. Der Salat ist frisch mit Petersilie und Zitrone und danach gibts Türkisch Mokka.
Überall gibts Verpflegung und die Städte haben alles was man braucht. Hotels, Geschäfte, nette Leute! Kommt und besucht dieses bunte Land! Ihr werdet es nie bereuen!
Ich kann mir nicht helfen, aber ich liebe dieses Land!
Eine greislige bergige schöne Zielgerade
Nun, meine Überschrift ist heute sehr ambivalent, so wie einer der letzten Fahrradtage nach Istanbul durch die Türkei. Die gezähmte Schnellstraße aus Griechenland hat sich in der Türkei zu dem lauten Monster gewandelt, von dem ich neulich mal in meiner Fantasie sinnierte. Ein Highway, wie er greisliger nicht sein kann. Und Ausweichstrecken gibt es nicht. Der Randstreifen ist sehr breit, wie in Griechenland auch, nur die beiden Spuren daneben werden immer besser ausgenutzt. Der Gipfel waren heute gezählte 50 Omnibusse hintereinander! Ganz zu schweigen von den türkischen LKWs – ich bin „doshoarad“ (schwerhörig!)
Die Türken haben sich nicht die Mühe gemacht, die Berge wegzusprengen, nein, es geht 7% rauf und auch wieder runter. Und das die ganze Zeit! Wah! Und auf der Landkarte sieht alles superflach aus, keine Höhenlinien zu sehen. Was für eine Enttäuschung ist doch die Realität.
Dafür gibt es Begegnungen menschlicher Natur und das ist so schön.
Geschichte Nr. 1: Die Straßenhändler. Sie verkaufen Melonen, Feigen, Obst. Und sie jubeln uns zu. Die Alten, die im Schatten Brotzeit machen, winken mich heran, ich solle mitessen, einen Tee trinken. Das ist normalerweise sehr schön, einem alten Menschen ins Gesicht zu schauen und mit ihm „seinen“ Tee zu trinken. Aber zum Verweilen habe ich heute keine Geduld. Ich will ankommen. So fahre ich diesmal dran vorbei. Ein Alter wollte mir eine Melone! schenken – Wo hätte ich sie hintun sollen?
Geschichte Nr. 2: Mittagessen. Wir fahren einen kleinen Garten zum Mittagessen an. Eine deutsch-türkische Familie aus Stuttgart steht schon am Parkplatz und überschüttet uns mit Fragen, die uns bestimmt schon 50 Mal an diesem Tag gestellt wurden. Woher? Wohin? Wie lange? Wieviel Kilometer? Schwups, ehe wir uns versahen, hatten wir beide ein Pfund Trauben in der Hand und tausend gute Wünsche für die weitere Fahrt im Herzen.
Geschichte Nr. 3: Die Panne. Ein Traktor mit einem monströsen Teil überholt uns. Ein Begleitfahrzeug schirmt ihn mit Warnblinanlage ab. Sie winken uns zu. Eine halbe Stunde später stehen sie am Fahrbahnrand. Toni fährt als erstes dran vorbei, der im Begleitfahrzeug streckt ihm eine köstliche Nektarine hin. Toni lehnt sie ab. Aber da hält ihn der Traktorfahrer schon auf. Dann passiere ich die Fahrzeuge, ich nehme die Nektarine an und halte ebenfalls. Wir plaudern und sie freuen sich über mein bisschen türkisch. Warum erzähle ich das? Am Anhänger ist der Reifen in tausend Fetzen und die stehen da und sind gut drauf! Und der Gipfel: WIR kriegen was von denen geschenkt! Das ist doch rührend, oder?
Geschichte Nr. 4: Der LKW-Fahrer. Ein LKW-Fahrer mit einem Monster-LKW überholt uns. Er bleibt stehen. Ich denke noch: „Nicht schon wieder plaudern..Oder hat er ein Problem?“ Der Fahrer geht nach hinten, macht direkt vor uns seine Luke auf und sagt: „Hadi gel“ (Hopp, komm). Der wollte uns glatt einfach so mitnehmen…
Interessante Landschaft
Die letzten 100 km
Der Lastwagen ist schneller
Bild des Tages: 27.8
Gemischte Gefühle
Nach 70 geradelten Kilometern von Tekirdag aus, war heute Schluss mit dem Seitenstreifen. Wir dachten, wir schaffen es noch weiter, aber der Verkehr war schlussendlich lebensgefährlich. So hielten wir es für richtig, uns mit einem Bus die letzten Kilometer an den Stadtrand von Istanbul bringen zu lassen. Jetzt ist also unsere letzte Übernachtung 20 Kilometer vor der Altstadt von Istanbul entfernt.
Wir haben gemischte Gefühle, riesige Erleichterung macht sich breit, weil nichts passiert ist, traurig sind wir, weil unsere spannende aufregende und abwechslungsreiche Reise nun langsam zu Ende geht. Froh sind unsere Hinterteile und Oberschenkel, dass sie nicht mehr radeln müssen. Die brauchen dringend eine Pause.
Jetzt freuen wir uns auf morgen, auf das Ziel, die Haghia Sophia, die Blaue Moschee, den lebendigen Basar und natürlich auf die Kanne Tee am Bosporus.
An der blauen Moschee
Würdiger kann ein Ziel nicht sein
Die Einfahrt heute morgen nach Istanbul war atemberaubend. Man kann vom Flughafen bis hin ans Goldene Horn mit dem Fahrrad fahren. Auch der Empfang war mehr als herzlich. Es war einfach nur toll! Wir kommen heute abend im türkischen Fernsehen und bekamen sogar eine Urkunde dass wir hierher gefahren sind, mit einem Zitat von Atatürk: „Frieden im Lande ist Frieden überall“. Bei der Übergabe fehlten mir die Worte, wirklich!
Istanbul! Eine Stadt, wie ich sie schöner nicht kenne, die Verbindung von Meer, alten und neuen Häusern und unglaublich vielen Menschen. Von weitem sieht man die beiden Moscheen, die Haghia Sophia und Sultanahmet (genannt Blaue Moschee). Es ist wie aus 1001 Nacht, nein es ist 1001 Nacht.
Istanbul ist ein Märchen. Istanbul ist gigantisch. Istanbul ist gewaltig. Istanbul ist menschlich.
Aber man muss hier selber mal gewesen sein, um das Leben zu atmen. Darum verabschiede ich mich nun mit diesem letzten Beitrag und sage Danke an alle, die uns so treu gefolgt sind.
Und besonders danke ich Roberto, der uns das Gepäck auf den Großglockner gefahren hat. Ohne ihn würde ich heute noch da hochfahren. Für mich ist er der Mensch meiner Reise, neben vielen anderen lieben Menschen, die wir getroffen haben.
Ich wünsch Euch alles Liebe von hier, aus Istanbul!
Ride on!
Simone








