Die E90

Ich melde mich spät, denn der heutige Radtag war lang und in der zweiten Hälfte sehr windig. Mit dem Zimmer hatten wir Probleme, weil wir in einer Urlaubsregion sind und die Griechen hier offensichtlich noch rege Urlaub machen.

Heute dachte ich über die Straße E90 nach. Wir fahren schon seit Anbeginn unseres Griechenlandbesuchs immer wieder auf ihr. Die Autobahn, die nun durch das ganze Land führt, nimmt nahezu den gesamten Verkehr auf.

Ich denke daran, dass vor ein paar Jahren die E90 wahrscheinlich eine der  wichtigsten Verkehrsadern war. Ich vernehme in meiner Fantasie jaulendes kreischendes rumpelndes und nimmer enden wollendes Getöse auf dieser Straße.

Tag und nacht, Sommer wie Winter, keine Ruhe. Nicht auszudenken, was das für die Orte, durch die sie führt, bedeutete. Lärm, Abgase, Leid, aber auch Geschäft, Leben, Lastwagenfahrer, Leute, Geschichten. Die Lastwägen quälten sich Kilometer für Kilometer weiter voran und wurden von rasanten Autofahrern überholt. Es wurde die große Liebe im Straßencafé gefunden oder beim Abschied auf dem Parkplatz geweint. Die Straße war bestimmt legendär und gefährlich, weil unzählige Menschen hier ihr Leben lassen mussten oder wollten.

Heute liegt sie da, wie ein gezähmter Wolf. Ruhig führt sie durch die Urlaubsorte. Die Restaurants sind verlassen, die Verkaufsstände verstaubt. Ich kann ungestört mit meinem Fahrrad in der Mitte der Fahrbahn fahren, es dauert ewig, bis ein verlassenes Auto kommt.

Irgendwie fühle ich mich wohl, weil ich mir nicht auszumalen weiß, wie es wäre, wenn es die Autobahn jetzt noch nicht gäbe, aber irgendwie bin ich auch berührt, weil ich fühle, auch eine Straße hat ihren Stolz, ihre Geschichte. und nicht mehr benützt zu werden, nicht mehr wichtig zu sein, das ist nicht nur für eine Straße nicht schön…

Tagesetappe: 23.08.2010

Tag Höhe ↑ (in m) Höhe ↓ (in m) Strecke (in km)
23.08.2010 452 438 96,36