Zams = Postgasthof Gemse = Leben atmen

Rückblick. Ich bin 17 Jahre alt und hänge gerade in der Ausbildung zur Schwesternhelferin (das ist eine Vorstufe zu Krankenschwester-Ausbildung). Es gefällt mir überhaupt nicht. Ich vertrage den Schichtdienst nicht, Krankheit und Tod ist hier so geballt Kolleginnen sehr gemein und fies, es gibt keine Freude, einzig die Patienten geben mir Mut. Zudem muss ich 12 Tage arbeiten und habe dazwischen nur zwei Tage frei. Ich bin so frustriert, dass ich mir jeden Abend die Augen aus dem Kopf weine, weil ich keinen Ausweg weiß. Meine Schwester (mein Geschwister) Susi tröstet und muntert mich auf. Sie ist 22 und wir haben beide nicht viel Geld. Wollen einfach mal raus, Urlaub machen. Da treibt sie diese Busreise von Hörmann Reisen auf: 8 Tage Zams, inkl. Skipass, Vollpension und Busfahrt, alles in allem 320,- Deutsche Mark! Ein idyllisches Foto des Postgashofs Gemse ziert die Katalogseite, da müssen wir hin!
Als ich ankomme, bin erstmal geschockt, weil der Postgasthof mitten im Ort (ist ja eigentlich logisch) an der damaligen Hauptverkehrsader Fernpass liegt. Lastwägen rumpeln und pumeln vorbei, es ist furchtbar laut.
Aber! Familie Haueis! Das Essen! Das Skigebiet! Die Herzlichkeit der Menschen, berühren mich so sehr, dass auch der minütlich vorbeirauschende Zug mir nichts ausmacht.
Nun, ich gebe zu, zuerst hat uns der Preis angelockt, aber dann war es für mich Ritual, einmal im Jahr eine Woche hier meine Seele gesunden zu lassen.
Viel ist seither passiert, ich bin mit Toni zusammen, die Ausbildung habe ich geschmissen und hab gemacht, was zu mir passt, die Busreise gibt es schon lange nicht mehr. Aber auch in Zams ist die Zugtrasse jetzt unterirdisch verlegt, sowie die Bundesstraße verschwunden. Es ist viel ruhiger und schöner geworden.
Gleich geblieben ist der Postgasthof Gemse mit Seppl Haueis und seiner Familie, der hier Jahrhunderte gepflegte Gastlichkeit in einer authentischen und herzlichen Art und Weise führt, der seinesgleichen sucht.
Hier ist meine, wenn man so will, zweite Heimat, hier gesunde ich regelmäßig, im Winter und manchmal auch im Sommer.
Das hier ist zwar kein Werbeblog, aber wenn ihr des Weges seid, gönnt Euch ein Essen im uralten Stüberl, ein regionales Mahl, das es nirgendwo ein zweites Mal so gibt. Eine Führung durch den Haflinger-Zucht-Pferdestall inklusive. Oder verweilt in der Pension und genießt die beschauliche Ruhe der Berge.
Skifahren auf dem Venet, das ist wie, wenn man ein privates Skigebiet hätte. Keine Wartezeit am Lift, einfach nur fahren, fahren, fahren. Man kann hier in einer halben Stunde zu jedem prominenten Skigebiet gelangen, z.B. Serfaus, Ischgl, Lech/Zürs, Kaunertaler Gletscher. Man kann stundenlang wandern, am See relaxen, die Silberspitze erklimmen (ist mir noch nicht ganz gelungen).
Könnte ich doch noch stundenlang schwärmen, jedoch, ich bin ja jetzt im hier und genieße in vollen Zügen…

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2 Gedanken zu „Zams = Postgasthof Gemse = Leben atmen

  1. Ja, das kann ich verstehen. So geht es mir mit meinen Erinnerungen an Berchtesgaden wo wir immer im Haus Brunneck gewohnt haben. Dann der Jenner, Watzmann, und der Königsee.
    Einfach nur toll

    Gruss Andy

  2. Das war ein wunderschöner Eintrag – man konnte wirklich in Deine Seele schauen! Leider war ich noch nie in Zams, aber ich glaube jeder hat diese Art von 2. Heimat irgendwo auf der Welt!

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