Grenzen

Rückblick: Vielleicht ein Jahr ist es her, da unterhielt ich mich zuhause mit einer Freundin. „Sechs Wochen radeln!“ staunte sie „ich würde sofort mit Dir tauschen, wenn ich könnte!“ „Würdest Du das wirklich wollen?“ fragte ich sie. „Ja, aber ich würde nicht radeln, ich würde die sechs Wochen verbummeln!“ Das war wenigstens mal eine ehrliche Antwort. Ich glaube, wer noch niemals eine Radreise von diesen Ausmaßen gemacht hat, der hat keine Vorstellung davon, wie es ist. Ich glaube, die wenigsten würden WIRKLICH eins zu eins mit mir tauschen wollen. Meine Freundin war einzig neidisch auf die „Auszeit“, die sechs Wochen, die wir uns jedes Jahr abstrampeln. Aber wenn man es wirklich tut, ist es nur einen Funken so romantisch, wie die Vorstellung davon. 

Heute war für mich so ein Tag, um den man nicht beneidet wird, wo man garantiert nicht wirklich tauschen will. Solche Tage gibt es aber immer wieder einmal auf einer Radtour und gehören irgendwie dazu, weil man sie nicht umgehen kann. 

Es kamen mehrere Dinge zusammen: 38°C im Schatten, kaum Wind, schattenloses einsames ausgeräumtes Gelände, 1060 Höhenmeter, gestern Knoblauch gegessen, folglich daraus keinen guten Kreislauf. Keine Infrastruktur auf dem Weg, soll heißen, keine Bar, wo man „tanken“ kann, ein bisschen Klimaanlage, ein bisschen sitzen, die „Zivilisationsblase“ genießen. 

Gnadenlos brannte uns stundenlang die pralle Sonne auf den Leib und kein Windhauch kühlte unsere Glieder. Dann, kurz vor der Stelle, an der es brannte, ging das Trinkwasser aus. Das Dorf noch ewig weit entfernt, wo unsere Mittagsrast stattfinden sollte. Bergauf gings natürlich da hin. Mit letzter Kraft schleppte ich mich in die einzige geöffnete Bar im Ort.

Nach der Mittagsrast, gnadenlos, wie vorher, bergauf, heiß, ohne Bäume, ohne Wind. Naja, ich habe es überlebt, würde ich doch keine Zeile mehr schreiben.

Wer wirklich solch eine Radreise machen möchte, muss eben auch Tage in Kauf nehmen, an denen man an seine körperlichen bzw. mentalen Grenzen kommt. Momente, die einen denken lassen: „Ach, so ein Tag im Büro ist doch auch ganz schön…“

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5 Gedanken zu „Grenzen

  1. Toll und bewundernswert wie ihr das schafft!! Aber solche Tage sind es auch, an die man sich Jahre später noch erinnert, verdaddelte Tage verschwinden.

  2. Ich zolle euch größten Respekt. So viele Hüte kann ich gar nicht aufsetzen, die ich vor euch ziehen möchte.
    Aber ist es dann nicht ein erhabendes Gefühl, wenn man solche Tage geschafft und überstanden hat? Allein für ein solche Gefühl macht man(N)/frau das doch auch, oder? LG Andricz

    • Hallo Andy!

      Solche Gefühle braucht kein Mensch. Erhaben fühlt man sich dann danach nicht, aber natürlich macht es einen stärker, wenn man diese Tage überwunden hat. Allenfalls wundert man sich am nächsten Tag, wie es einem so schlecht gehen konnte?

      Bei einer Radreise ist es sehr wunderlich, denn am nächsten Morgen ist wieder alles anders. Das ist die Erkenntnis die man daraus ziehen kann: Es geht vorbei!

      Jeder Tag ein eigener Kosmos!

  3. Ich bewundere Eure Willenskraft und Durchhaltevermögen. Habe Euch letztes Jahr „kennengelernt“ und verfolge nun jeden Eurer Tage. Auch Eure Online-Präsenz ist toll.
    Ich selbst bin 2017 insgesamt 2.500 km geradelt, heuer aber sind’s noch keine 1.000, so wahnsinnig viele heiße und schwüle Tage …
    Euch noch weiter gutes Gelingen und viel Spaß.
    PS: Danke für Erklärungen zu Rad, Ausrüstung und IT. Jetzt weiß ich endlich, woher die Satteltaschen sind.

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