Hier bist du Pilger, hier MUSST du einer sein!

„Santiago?“, „Pellegrini?“ „Are you tired ore hungry? Eat our menue only for 2.50!“ Wir haben es aufgegeben, zu sagen, dass wir keine Pilger sind, die nach Santiago wollen. Zuerst habe ich es noch versucht, aber die Menschen auf unserem Weg starren mich nur ungläubig an. Heute Mittag war ein spanisches Mädchen so überzeugt davon, dass wir Jakobspilger sind, so dass all unsere Gegenerklärungen im Sande verliefen.

Wenn du einen Jakobspilgerweg benutzt, bist du automatisch dabei, gehörst dazu. Es ist wie eine riesige Community, vielleicht ein bisschen zu vergleichen mit der Apple-Gemeinde, die wir alle im gleichen Boot zu sitzen glauben, nur weil wir Apple-Geräte benutzen und lieben.
Toni lamentiert manchmal auf dem Jakobsweg, dass die Menschen über die Schnellstraßen geleitet würden. Ich meinte, es gäbe halt nicht DEN Jakobsweg, alle Wege führen hier nach Santiago und sind Pilgerwege, ja, auch die Schnellstraßen. Der gallizische Jakobsweg ist nun wirklich nicht schön.
Szenenwechsel. Die Frau, die unser Bild an der Basilika in Santiago schießt, ist Deutsche. Sie sei den „einzig wahren“ Jakobsweg gelaufen, an der Nordküste Spaniens. Sie hätte keine Menschenseele getroffen. Es seien zwar jeden Tag riesige Bergtouren, aber 860 km in fünf Wochen hätte sie gemacht. Toni rechnet aus, dass es nicht möglich sei, jeden Tag 1000 Höhenmeter zu gehen und auch noch 25 km weit. Irgendwas kann nicht stimmen, denn im nächsten Atemzug sagte sie, sie habe Mitpilger kennengelernt, die ihr weitere Tipps geben. (Ich dachte, sie habe niemanden getroffen?) Also nun gut. Der Glaube versetzt Berge. Die Menschen glauben das, was sie erzählen oder erzählen das, was sie glauben. Geht es hier um Wahrheit? Gibt es so etwas überhaupt?
Da fällt mir eine Fernsehdoku ein, über eine sehr dicke Frau, die behauptete, normal zu essen, aber nicht abnehmen zu können. Sie musste alles aufschreiben, und filmen, wann und was sie so zu sich nahm. Durch einen speziellen Test bewies man ihr, dass sie wesentlich mehr gegessen hatte, als sie dokumentierte (doppelt so viel!!). Sie war sichtlich geschockt, das man sie „überführt“ hatte. Es hat so ausgesehen, als hätte sie es tatsächlich vergessen, was sie zwischendrin so alles vernascht.
Ich will damit auf den Punkt kommen. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Und die stimmt wahrscheinlich nicht immer mit der Realität überein. So wie es eben auch nicht den einen Jakobsweg gibt.

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