Hier bist du Tourist, hier darfst du es sein

Nur weg, weg aus Barcelona – das war unser Gefühl von dieser, an sich sehr schönen, aber tosenden Stadt, mit tollen Sehenswürdigkeiten. Sie ist leider übervölkert von Touristen, wie wir es sind, ja, wir gehören zweifellos dazu. Barcelona ist zur Zeit zu angesagt auf der Welt, vielleicht sind die Flüge zu billig? Viele dubiose Menschen sind auch hier, Schnorrer, Verwahrloste und gar finster dreinblickende Gestalten runden das touristische „ichbinhipweilichinbarcelonashoppenbin“ ab. Mir ist nicht wohl um unser Hab und Gut, alles wird genau inspiziert, aber nicht gefragt.

Es führen Rolltreppen! zu den höhergelegenen Sehenswürdigkeiten, damit auch ALLE wirklich sich vom Auto aus, da hin rollen lassen können. Das Essen schmeckt nicht, wir bezahlen viel zu viel für den Mist, den wir uns bestellen. Ja, Himmi, muss ich denn erst Insider sein und tausendmal hierherkommen, um was Gescheites zum Essen zu bekommen, verdammt? Ich bin echt langsam sauer auf Spanien, Katalanien oder was auch immer. Null Authenzität, Freundlichkeit? Nein Danke! Wo sind die netten Spanier? Hier jedenfalls nicht! Nichts und niemand ist menschlich, freundlich oder herzlich.

Später, auf der Fähre dachten wir, hoffentlich ist Mallorca groß genug, um all die tausend Touristen, Autos und Lastwägen aufzunehmen, die da über Nacht mit uns mit hinüberschippern. Wegen des Seegangs hörte es sich unten im Frachtraum  an, als ob ein Lastwagen aus der Verankerung gerutscht war, und hin- und herfuhr. Die Horde Jugendlicher klampften in miesen Akkorden bis tief in die Nacht auf ihrer Gitarre. Wie nach einer Neutronenbombe lagen nach einiger Zeit viele leblose Körper um mich herum. Irgendwie konnte ich dann doch noch ein wenig Schlaf finden und eh ich es mich versah, legten wir bei ruhiger See in Palma an.

Ich nehme zuerst wahr, dass es hier eine gute Luft hat, mediterran und leicht feucht. Wir fahren, noch recht verschlafen, in die Innenstadt von Palma. Wir können nur ahnen, was sich hier Nacht für Nacht abspielt. Es riecht auf der Promenade weitläufig nach Urin, nach Alkohol und alles ist voller Bierdosen, Glassplittern und Nachtgeistern, die sich an Stadtpalmen entleeren oder in ihrem eigenen Mist liegen und einfach schlafen, da, wo sie umgefallen sind. Na Prost, denke ich, Gott sei Dank schlafen alle andren auch noch und wachen bitte bitte nicht auf, bis ich hier wieder abgedüst bin.

Die Hotels und Pensionen wirken aber nicht billig, wie z. B. in Loret de Mar, es wird mehr Wert auf Outfit gelegt. Die alte Innenstadt ist super, wie ich finde, menschenleer, angenehm – noch. Und bis auf den Kutscher, der mich beinahe einfach umgefahren hätte, weil sein Parkplatz dort war, wo ich den Dom fotografieren wollte, war alles in Ordnung.

Nach dem Frühstück in einer Bar fuhren wir kilometerweit am weitläufigen Strand mit tiefblauem Wasser entlang. Es wurde emsig aufgeräumt und die Reste der Vergangenheit weggewaschen, aufgerüstet für den nächsten heutigen Kampftag.

Auf dem schönen Radweg, durch den Ballermann am tiefblauen Wasser, vorbei an Hotels und Plastikluftmatratzenbergen fahrend, stelle ich mir vor, wie es hier Nachmittags und Abends wohl ist. Ich empfinde es hier im Momentokay. Vielleicht liegts am schlechten Schlaf, dass mir solche Gedanken in den Sinn kommen oder liegt es am professionell aufgemachten Tourismus, dass ich mir denke: Hier bist du Tourist, hier darfst Du es sein!

3 Gedanken zu „Hier bist du Tourist, hier darfst du es sein

  1. Ich war auch schon in Barcelona und auf Mallorca, interessant sind dies Orte schon, aber Leben wollte ich da nicht unbedingt. Malle ist immerhin im Norden sehr schön, der Süden, vor allem die Gegend um Palma und El Arenal sind mir zu laut. Typische Touristenhochburgen eben, die mehr was für Sauftouristen sind. Das ist echt nicht meine Welt, war es auch noch nie. Selbst in jungen Jahren, habe ich schöne ruhige romantische Orte, den Partymeilen dieser Welt vorgezogen.

  2. Ich weiss schon warum ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr nach Spanien will ,
    Rtl berichtet ja auch manchmal von da
    „passt ja zu dem Sender“ und Rtl ist genauso wie Spanien daher schalte ich um, um bloß nicht mit dem Mist konfrontiert zu werden .
    Bisher habt ihr nur negatives berichten können über das Spanische Land,
    Schaut bloß das Ihr das Land schnell verlaßt , damit Ihr wieder von wunderschönen Orten berichten könnt.

  3. @Frank Hansmann: Vielleicht hängt es auch ein bisschen an unserer sensiblen Wahrnehmung. Wenn mann mit dem Rad wo ankommt, ist die Stimmung nicht so „verklärt“ als mit dem Flieger. Am eigenen Leib hatte ich das in Istanbul gemerkt. Mit dem Rad ist alles plötzlich enger, schmutziger, desillusionierter. Der Trick funktioniert auch im Nachhinein. Als ich im November gleichen Jahres unserer Radreise 2010 wieder nach Istanbul flog, hatte ich wieder mehr „Verklärung“.

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